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Dieter Langewiesche

»Volksbildung« und »Leserlenkung« in Deutschland von der wilhelminischen Ära bis zur nationalsozialistischen Diktatur




Abstract

"Volksbildung" und "Leserlenkung" waren bis 1914 ein Teil des Weltanschauungskampfes zwischen Sozialdemokratie, Katholizismus und Liberalismus. In der Weimarer Republik schwächten sich diese Gegensätze ab. Erst die nationalsozialistische Diktatur beseitigte sie gewaltsam. 1933 war also für die Volksbildung eine tiefe Zäsur. Fortgesetzt wurden jedoch die Versuche, die Leser zum "besseren" Buch zu lenken, und fortgesetzt hat sich auch die Fähigkeit der Leser, sich diesen Versuchen zumindest teilweise zu entziehen.




Mit dem Begriff »Volksbildung« verbanden sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert weitreichende Hoffnungen; Die »soziale Frage« sollte entschärft und langfristig gelöst, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gesichert werden, das gesamte Volk wollte man »veredeln«, die staatliche Reichsgründung um die kulturelle ergänzen und die innere Nationsbildung durch die Kultivierung der Massen vollenden. Nicht alle, die sich in der Volksbildung engagierten, teilten diese überspannten Hoffnungen, doch sie kennzeichnen die Zukunftssicherheit einer Gesellschaft, die nichts für unerreichbar hielt. Die Liberalen standen an der Spitze derer, die sich mit dem »Fortschritt« im Bunde wähnten. Mit der 1871 gegründeten »Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung« versuchten sie, sich ein Instrument zu schaffen, das sie ihrem Ideal einer kulturell homogenen Nation näher bringen sollte. »Die Gebildeten«, so verkündeten sie, bringen den »Geist, die Besitzenden das Kapital und das Volk den Bildungsdrang in die Vereinigung ein.« 1 Das mag im Rückblick skurril klingen. Es charakterisiert jedoch den emphatischen Glauben an die Kraft der Bildung – ein kultureller Leitwert der »Moderne«, als deren politische Repräsentanten sich die Liberalen nicht zu Unrecht sahen. 2 Dieser Bildungsglaube reichte jedoch weit über das bürgerlich-liberale protestantische Milieu hinaus. Auch dessen schärfste Gegner teilten diesen Glauben an die gesellschaftsgestaltende Kraft der Bildung: Die deutsche Sozialdemokratie und die sozialistisch orientierten Freien Gewerkschaften haben sich von Beginn an stets als eine Kulturbewegung verstanden. Wilhelm Liebknechts berühmtes Diktum »Wissen ist Macht - Macht ist Wissen« brachte das kulturpolitische Glaubensbekenntnis der Sozialdemokratie auf eine einprägsame Formel – Leitmotiv der seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis 1933 ständig wachsenden sozialdemokratischen Arbeiterkulturbewegung. 3 Auch der Katholizismus bekannte sich zu den Bildungshoffnungen der Zeit, 4 ohne jedoch den Bildungsbegriff mit säkularisierten Heilserwartungen zu füllen, wie es Sozialdemokraten und protestantische Liberale taten.

Mit dem Katholizismus, der Sozialdemokratie und dem protestantischen Liberalismus sind die drei großen »sozialmoralischen Milieus« genannt, die spätestens seit der Reichsgründungsära bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein Politik und Gesellschaft in Deutschland in hohem Maße prägten. Als »sozialmoralische Milieus«, eine Formulierung des Soziologen M. Rainer Lepsius, 5 werden gesellschaftliche Gruppierungen bezeichnet, die sich selber als Gesinnungsgemeinschaften verstanden und in ihren Werten, ihren Organisationen und ihren gesellschaftlichen Beziehungen deutlich voneinander abgrenzten, z.T. mit moralisch überhöhten Grenzlinien, die in Extremfällen bis zur Ekelschranke gesteigert sein konnten. Es waren vorpolitische Gesinnungsgemeinschaften, aber von kaum zu überschätzender politischer Bedeutung. Das deutsche Parteiensystem ruhte von Beginn an auf diesen Milieus auf, bis es in der Weimarer Republik durch den Aufstieg der Nationalsozialisten gesprengt und 1933 zerschlagen wurde.

Die Erklärungskraft der idealtypischen Konstruktion »sozialmoralisches Milieu« wird man nicht überfrachten dürfen. Es gab immer Verbindungslinien und Überschneidungsbereiche, und in der wilhelminischen Ära nahmen sie unverkennbar zu. Die Milieugrenzen blieben aber stark genug, um die Entwicklungstendenzen, die auf eine pluralistische Gesellschaft zuliefen, wirksam zu blockieren. Das läßt sich nicht zuletzt an den Volksbildungseinrichtungen erkennen, die seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts in so großer Zahl entstanden. Es gehört nämlich zu den Besonderheiten der deutschen (und auch der österreichischen) Volksbildung, daß sie zwar mit dem Anspruch auftrat, ein kulturell homogenes Volk schaffen und damit den Prozeß der Nationsbildung vollenden zu wollen. 6 Doch organisatorisch zerfiel sie in konkurrierende Richtungen, die sich entlang der Grenzlinien der großen sozialmoralischen Milieus voneinander abgrenzten. Die Volksbildung in Deutschland war also ein getreues Abbild der fragmentierten deutschen Gesellschaft mit ihren moralisch überhöhten Schranken zwischen den Milieus. Für die Volksbildung der wilhelminischen Ära und - abgeschwächt - der Weimarer Republik heißt das konkret: Ein kirchentreuer Katholik besuchte keine Bildungseinrichtung, die bürgerlich protestantische oder sozialdemokratische Organisationen aufgebaut hatten oder deren Ideen verpflichtet war. Und ein überzeugter Sozialist blieb ebenso selbstverständlich katholischen Bildungsangeboten fern und möglichst auch den bürgerlich-liberalen, selbst wenn sie mit dem Anspruch der Neutralität auftraten und von Kommunen unterstützt wurden. Erst in der Weimarer Republik begannen diese scharfen Trennlinien durchlässiger zu werden, ohne jedoch ihre Bedeutung zu verlieren.

Die deutsche Gesellschaft des Kaiserreichs und auch noch der Weimarer Republik war also nicht pluralistisch offen in dem Sinne, daß überzeugte Katholiken, Sozialdemokraten und Kommunisten, Liberale oder Konservative gemeinsam Volksbildungseinrichtungen besuchen konnten, ohne sich dem Verdacht mangelnder weltanschaulicher Glaubensfestigkeit auszusetzen. 7 Diese Einbindung der Volksbildung in die großen vorpolitischen Milieus und ihre politischen Kämpfe hat die deutsche Volksbildung hochgradig politisiert und mit ideologischen Erwartungen überfrachtet. Aus Bildungsfragen wurden deshalb schnell Weltanschauungsprobleme. Das gilt auch für die Frage der Leserlenkung. Sollen Leser in ihrer Lektürenwahl gelenkt werden, mit welchen Mitteln und in welche Richtungen – das waren in Deutschland keine Meinungsverschiedenheiten von Experten, die darüber einen fachlich begrenzten Streit argumentativ austrugen. Sie wuchsen sich vielmehr zu Weltanschauungskämpfen aus, in denen die großen Milieus mit ihren konkurrierenden Weltbildern und politisch-gesellschaftlichen Ansprüchen zusammenprallten.

Das ist ein Aspekt, der in den folgenden Betrachtungen zum Thema »Volksbildung und Leserlenkung« im Vordergrund steht. Es geht also nicht um eine Spezialstudie zur Volksbildung und zu den Möglichkeiten der Leserlenkung, sondern gefragt wird nach der Einbindung dieser Bereiche in die großen gesellschaftspolitischen Kontroversen der damaligen Zeit. Ob und in welchem Maße diese Streitfragen von unterschiedlichen kulturellen Leitbildern geprägt wurden, läßt sich an der Volksbildung und an einem Spezialproblem wie der Leserlenkung ebenso studieren wie das Ausmaß und die Grenzen einer zweifellos zunehmenden gesellschaftlichen Pluralität, welche die Milieugrenzen auflockerte.

Damit ist der zweite Aspekt angesprochen, der Volksbildung und Leserlenkung zu einem gesellschaftsgeschichtlich interessanten Thema macht: Es läßt erkennen, welche Probleme mit dem säkularen Prozeß verbunden waren, den wir kulturelle Demokratisierung nennen können. Was damit gemeint ist, sei vorweg mit ein paar Hinweisen umrissen.

Im Kaiserreich und insbesondere in der wilhelminischen Ära vollzog sich – trotz aller obrigkeitsstaatlich-autoritären Elemente, die gewahrt blieben – eine zunehmende Demokratisierung in allen Bereichen der Gesellschaft. 8 Mit Demokratisierung sind zunächst einmal die erweiterten sozialen, politischen und auch kulturellen Teilhabechancen für alle Bevölkerungskreise angesprochen. Um diese zunehmenden Partizipationschancen mit einigen Stichworten anzudeuten: Der Lebensstandard stieg generell, schichtgestuft zwar, aber doch für alle – erkennbar etwa an der verbesserten Ernährung und vor allem an der steigenden Lebenserwartung, mit welcher der einzelne rechnen konnte. »Die gewonnenen Jahre«, 9 die in allen Sozialschichten das Leben verlängerten und veränderten, sind wohl der härteste Indikator für die Demokratisierung der Lebenschancen, die sich im ausgehenden 19. Jahrhundert beschleunigte. Auch politisch erweiterten sich die Partizipationsmöglichkeiten rascher als wohl je zuvor, sieht man einmal von revolutionären Ausnahmesituationen ab. Gewiß, das Wahlrecht etwa blieb in vielen Ländern, vor allem auch in Preußen, dem größten und politisch dominierenden Einzelstaat, und ebenso in den Kommunen beschränkt, aber die wachsende Zahl von Massenorganisationen signalisiert eine gesellschaftliche Fundamentalpolitisierung, die es in diesem Ausmaß vor der wilhelminischen Ära nie gegeben hat.

Die kulturellen Teilhabechancen erhöhten sich ebenfalls: Die Analphabetenquote war nicht mehr nennenswert, Zeitungen und Zeitschriften wurden allen zugänglich – »Die Zeitung sitzt heute im Volke, wie die Laus im Pelz«, schrieb Werner Sombart um die Jahrhundertwende 10 –, ins Theater ging nicht nur das gebildete und besitzende Bürgertum, Volksbühnen und andere Angebote popularisierten den Theaterbesuch, wenn auch in Grenzen; die Buchproduktion stieg, und die Bücher erreichten über die Volksbibliotheken Leserkreise, die ihnen zuvor verschlossen gewesen waren. Die kulturelle Institution gewerbliche Leihbücherei alter Art verlor in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwar ihre frühere Position, 11 doch statt dessen entstanden in der wilhelminischen Ära eine Fülle von billigeren und leistungsfähigeren Büchereien, deren Leserschaft das Publikum der gewerblichen Büchereien an Umfang weit übertraf und auch sozial viel breiter war.

All dies summiert sich zu einem Demokratisierungsschub, der die Möglichkeiten, am politischen, sozialen und kulturellen Fortschritt teilzuhaben, schnell und tiefgreifend erweiterte. Diese Form der Demokratisierung von Zugangs- und Teilhabechancen mußte allerdings keineswegs zwangsläufig mit einer Demokratisierung der politischen Kultur gekoppelt sein. Denn die Erweiterung des »politischen Massenmarktes« 12 verbreiterte die Einflußkanäle aller Organisationen – auch jener, die eine weitere Liberalisierung und Demokratisierung verhindern wollten. Ob die Demokratisierung der Mitwirkungsmöglichkeiten auch eine Demokratisierung der Leitbilder und des Verhaltens nach sich ziehen und die Politik dauerhaft bestimmen würde, war bis 1933, als dieser Entwicklungsprozeß gewaltsam abgeschnitten wurde, nicht eindeutig abzusehen.

In diesen Gesamtrahmen muß der Untersuchungsbereich Volksbildung und Leserlenkung eingeordnet werden, um verstehen zu können, warum die Konkurrenz auf dem kulturellen Massenmarkt mit dem verbissenen Eifer von Glaubenskämpfern ausgetragen wurde und pluralistische Toleranz sich nur in Teilbereichen entfalten konnte.

Lektüre und Lektürenvermittlung bilden nur einen begrenzten, wenngleich wichtigen Ausschnitt aus dem Gesamtbereich der Volksbildung. Eine ungefähre Vorstellung von der damaligen Spannweite des Volksbildungskomplexes vermittelt eine Bestandsaufnahme, die das Reichsministerium des Innern 1927 veröffentlichte. 13 Als die Hauptpfeiler der gesamten Erwachsenenbildung wies es die nicht-wissenschaftlichen Büchereien sowie die nach dem Ersten Weltkrieg in großer Zahl entstandenen Volkshochschulen aus, und zwar jeweils in ihrer gesamten Breite von den neutralen bis zu den weltanschaulich gebundenen Einrichtungen. Daneben umfaßte der Bericht Volksbühnenvereine, Vereine für »Heimatbildung« und »staatsbürgerliche Bildung«, Jugendverbände, Gewerkschaften und sonstige Berufsverbände, die in der Regel ebenfalls ein mehr oder weniger ausgebautes Bildungsangebot machten, vielfach auch Büchereien umfassend. Erwähnt wurden auch die in der Weimarer Republik expandierenden Buchklubs; 14 auch auf diesem Markt rivalisierten milieueigene Klubs untereinander und mit kommerziellen Konkurrenten. Außerdem berücksichtigte die Bestandsaufnahme noch Verbände wie den Dürerbund 15 oder die »Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung«, 16 die Lektürenberatung anboten, gegen »Schund und Schmutz in Wort und Bild« antraten und zum Teil auch selber Büchereien unterhielten oder diese mit Buchgeschenken förderten. Der Rundfunk, der seit 1923 regelmäßig Sendungen ausstrahlte, wurde als neues Medium der Volksbildung und der Konkurrenz für die etablierten Volksbildungsbereiche zwar noch nicht erwähnt, doch er rückte rasch in den Gesichtskreis der Erwachsenenbildungsexperten, die ihn in seinen bildungspolitischen Wirkungsmöglichkeiten positiv wie negativ völlig überschätzten. Erfaßt wurden von dem Bericht hingegen schon die Organisationen, die Lichtbild und Film in die Volksbildungsarbeit einbezogen. 17

In all diesen weitverzweigten Bereichen der Erwachsenenbildung – es bestanden 60 Reichsverbände, darunter große Dachorganisationen wie der »Zentralbildungsausschuß der katholischen Verbände Deutschlands«, der 29 selbständige Verbände umfaßte, oder der »Reichsausschuß für sozialistische Bildungsarbeit«, der ebenfalls eine große Zahl von Einzelorganisationen lose verband – wurde versucht, die rasante Ausweitung und Differenzierung des kulturellen Massenmarktes nach bestimmten, im einzelnen sehr unterschiedlichen Leitbildern zu steuern. Die Leserlenkung fügte sich diesem kulturellen Erziehungsprogramm ein, mit dem die »neutralen« und die weltanschaulich gebundenen Bildungsorganisationen den »Kampf um die Seele« austrugen, wie die Volksbildner ihren kulturellen Steuerungsversuch oft nannten. Welche Leitbilder lassen sich nun in den Versuchen zur Leserlenkung feststellen, welche Mittel wurden dabei angewendet, und was wurde erreicht?

In der wilhelminischen Ära, vor allem nach der Jahrhundertwende, setzte in allen Richtungen der Volksbildung eine intensive Diskussion über die eigenen Ziele und über die möglichen Wege dahin ein, provoziert durch die skizzierte Ausweitung des politischen und des kulturellen Massenmarktes. Führend in dieser Diskussion wurden zunächst die Bibliothekare der Volksbüchereien, deren Suche nach Leitbildern für ihre kulturelle Arbeit gekoppelt war mit einem (begrenzten) Professionalisierungsprozeß, der wiederum bedeutsam wurde für die Methoden der Leserlenkung. Nach der Jahrhundertwende, zugespitzt ab 1910, trugen nämlich Volksbibliothekare einen erbitterten Richtungsstreit darüber aus, in welchem Ausmaß der einzelne Leser in seiner Lektürenwahl erzogen werden sollte. Daß eine solche Erziehung des Lesers zum »besseren« Buch stattfinden sollte, stand nicht zur Debatte. Darin stimmten alle überein, ganz gleich welcher Richtung sie angehörten, Katholiken ebenso wie Sozialdemokraten. Der Streit innerhalb der »freien« Bibliothekare, wie die weltanschaulich ungebundenen genannt wurden, ging nur um das Ausmaß und die Art der Leserlenkung, nicht hingegen darum, ob überhaupt gelenkt werden sollte. Das wurde von denen, die sich zu Bannerträgern des bildungspolitischen Fortschritts ernannten, in scharfen Auseinandersetzungen verdunkelt. Die Verbitterung klingt noch in einem neueren Standardwerk zur Bibliotheksgeschichte nach. 18

Knapp und verkürzt gesagt; Die eine Richtung betrachtete die Volksbibliothek als eine »Bildungsanstalt, die niemandem etwas aufzwingt, aber jedermann, der Bildung sucht, sie bietet.« 19 Aber – das wurde im Eifer des Streites oft übersehen – auch diese sogenannte »alte Richtung«, wie die Gegner sie nannten, wollte »Bildung« bieten. Die Leser sollten jedoch bestimmen, was sie aus den Bildungsangeboten auswählten. Die andere Richtung, die sich selber als »neue Richtung« etikettierte, wollte hingegen nicht Bildung nach freier Wahl, sondern »gestaltende« oder »gerichtete« Bildung anbieten, wie es damals hieß. Gestaltende Bildung bedeutete: Die Lektürewahl sollte beeinflußt werden – natürlich zum »Besseren«, zum »Höherwertigen« hin. Was darunter zu verstehen sei, wurde nie verbindlich definiert. Dennoch setzte dieser Steuerungsversuch im Bereich der »freien« Volksbildung einen Prozeß in Gang, der auch weltanschaulich gebundene Richtungen stark beeinflußte. Weil man den Lesergeschmack erziehen wollte, mußte man ihn zunächst einmal ermitteln, um zu wissen, wo Erziehungsversuche ansetzen konnten. Das Lesererziehungsprogramm der sogenannten »neuen Richtung« erzwang also genaue Bestandsaufnahmen der Buchauswahl in Büchereien, und über solche Analysen bildeten sich fachliche Standards heraus, die auch von den weltanschaulichen Kontrahenten übernommen wurden. Zu diesen Standards gehörte die gesamte Bibliothekstechnik, die nun speziell für nicht-wissenschaftliche Büchereien entwickelt wurde, ebenso die langsame Entstehung von Ausbildungsgängen und Prüfungen für Bibliothekare in nichtwissenschaftlichen Büchereien. Das braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden. Für unsere Fragestellung ist nur wichtig, daß die Lenkungsversuche einen Professionalisierungsprozeß in Gang setzten, der von wissenschaftlichen Untersuchungen unterstützt wurde, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu Büchereianalysen führten, deren Qualität bis heute nicht übertroffen wurde. 20 Nur weil es diese Analysen gibt, können wir Aussagen über Erfolg und Mißerfolg der damaligen Lesererziehungsprogramme machen. Denn Urmaterial der Büchereien ist meist nicht mehr vorhanden. 21

Bleiben wir zunächst bei den Leitbildern. Sie unterschieden sich in den großen sozialmoralischen Milieus deutlich. Für die sozialdemokratischen Arbeiterbüchereien, die bis zum Ersten Weltkrieg in großer Zahl entstanden, entwickelten die sozialdemokratischen Kulturexperten ein anspruchsvolles »Empor-Lese-Programm«, an dessen Spitze gesellschaftswissenschaftliche Literatur stand, vor allem Sozialistika mit den Schriften von Marx als Gipfelpunkt, auf den die Arbeiterleser in langsamen Schritten geführt werden sollten – eine Gipfelwanderung, die - darin stimmten die Kulturexperten überein - viel Zeit und Mühe erfordern und nur von einer Minderheit der Arbeiter und Arbeiterinnen bis zum Endpunkt werde ausgehalten werden. Belletristik hatte in diesem sozialistischen Erziehungsprogramm ursprünglich allenfalls einen untergeordneten Platz. Es dauerte geraume Zeit, bis die sozialistischen Erzieher auch Teile der Schönen Literatur als Erziehungsmittel akzeptierten. Sie setzten dann ihre Hoffnungen vor allem auf den sozialen Roman. 22

Andere Schwerpunkte wurden in dem bürgerlich-liberalen Spektrum gesetzt, dem jene Volksbildner, die sich selber als frei und weltanschaulich ungebunden definierten, meist entstammten. Kennzeichnend war aber vor allem die große Spannweite. Die »ungebundene« Volksbildung und ihre Büchereien boten bei allen Versuchen, die Leser zu lenken, doch ein großes Spektrum, das bis zu sozialistischen Schriften reichen konnte. Man war tolerant, aber ein Ziel stand beherrschend im Mittelpunkt: Alle Leser und Leserinnen sollten an die »hohe« Literatur herangeführt werden. Es scheint jedoch keinen festen Kanon hoher Literatur gegeben zu haben, sondern eher eine negative Festlegung, indem man Triviales, »Schund und Schmutz« ausgrenzen wollte, ohne daß es dafür klare Definitionen gegeben hätte. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls die bisherige Forschung, die sich mehr auf die ideologieträchtigen Kontroversen als auf die konkrete Büchereiarbeit konzentriert hat. 23 Deutlich ist jedoch: Die Volksbibliothekare verstanden sich als Hüter der literarischen Hochkultur, zu der sie die Ungebildeten emporbilden wollten.

In diesem zentralen Ziel stimmten sie durchaus mit der sozialdemokratischen Kulturbewegung überein. Auch diese wollte die etablierte Hochkultur den Arbeitern erschließen. Arbeiter sollten in den sozialdemokratischen Bibliotheken lesen, was in der Gesellschaft als kulturell wertvoll galt. Insofern lassen sich die Lesererziehungsprogramme der »freien« Volksbüchereien wie auch der Arbeiterbibliotheken als eine Art nachgeholter Aufklärung für die unter- und kleinbürgerlichen Sozialschichten verstehen.

Während für die Arbeiterbüchereien des Kaiserreichs (nicht hingegen für die Zeit der Weimarer Republik) empirische Studien vorliegen, muß man für die öffentlichen Volksbüchereien auf deren Berichte und auf die Untersuchungen der zeitgenössischen Bibliotheksexperten zurückgreifen. Eine zusammenfassende Auswertung dieser Materialien fehlt. Sie würde wohl ergeben, daß die »freien« Volksbüchereien, die nach dem Ersten Weltkrieg überwiegend von den Gemeinden unterhalten wurden, ihren Anspruch, zu einem »Bindeglied für die durch Parteiengegensätze zerklüftete Nation« 24 zu werden, in Grenzen durchaus einlösen konnten. Alle Sozialschichten entliehen aus den Volksbüchereien, der größte Anteil entfiel jedoch auf den »alten« und »neuen« Mittelstand. Die aufstiegswilligen Mittelschichten scheinen in der »freien« Volksbücherei eine Institution gefunden zu haben, die ihnen zwar nicht den Zugang zum Bildungsbürgertum öffnen konnte, denn dazu schrieben die sozialen Normen, die in Deutschland vorherrschten, ein akademisches Studium vor. 25 Doch Sozialkreise, denen dieser Weg verschlossen war, erhielten durch die Volksbücherei wohl eine Chance, an dem hohen Sozialprestige teilzuhaben, das von »Bildung« ausging. Das ist jedoch nicht mehr als eine Hypothese, gestützt auf eine Durchsicht der Bibliotheksberichte, die auch die Grenzen der kulturellen Teilhabe verdeutlichen: Die jeweilige literarische »Moderne« tritt in den Entleihstatistiken der Volksbüchereien ganz in den Hintergrund oder taucht in den Listen der vielentliehenen Bücher gar nicht auf. Gefragt war, was die Gesellschaft als kulturell respektabel beglaubigt hatte, nicht das Neue, das sich seinen Platz unter den Kulturgütern der Nation erst erobern mußte. Insofern wirkten die Volksbüchereien und die Volksbildungsexperten, die sich um kulturelle »Veredelung« des »Volkes« bemühten, als ein Filter, der absorbierte, was der zeitgenössischen Intelligenz und der Literaturwissenschaft als zeitprägende Moderne galt. Die Distanz zur Avantgarde war wohl der Preis, der gezahlt werden mußte, wenn versucht wurde, >Kultur ins Volk< zu tragen. Die oft dargestellten Debatten über die Erziehung der Leser zum >wertvollen Buch< verdecken, daß die wenig erhellte Praxis der Volksbücherei trotz der ständigen bibliothekarischen Bekenntnisse zur »Hochkultur« auf eine Mittellage zielte: zwischen Trivialität und Avantgarde.

Während die sozialdemokratische Arbeiterbildung und die »freie« Volksbildung, die in Deutschland im protestantischen Milieu verankert war, sich dem Leitwert »Hochkultur« verpflichtet fühlten, gilt das für die katholische Bildungsarbeit nicht in dem gleichen Maße. Mehr als eine sehr vorläufige Einschätzung läßt der gänzlich unzureichende Forschungsstand jedoch nicht zu, denn kein Teilbereich der Erwachsenenbildung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert ist dürftiger untersucht als der katholische. 26

Seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts öffnete sich die katholische Volksbildungsarbeit den Entwicklungen, die sich in der »freien« Volksbildung durchsetzten; deutlich erkennbar an den Bestrebungen innerhalb des Borromäusvereins, die Pfarrbüchereien so auszubauen, daß sie nach den Standards, die damals für nicht-wissenschaftliche Bibliotheken entstanden, als katholische Volksbüchereien moderner Prägung gelten konnten. Die Mittel zur Leserlenkung wurden aus der »freien« Volksbildung übernommen, und es gab auch in der katholischen Büchereiarbeit verstärkte Bemühungen, den Lesern zugänglich zu machen, was die Gesellschaft als kulturell wertvoll anerkannt hatte. 27

Vorangetrieben, aber auch belastet wurden diese Tendenzen, das katholische Milieu kulturell zu öffnen, durch die sogenannte Inferioritätsdebatte. 28 Carl Muths Plädoyer für den Eigenwert des Ästhetischen in der Literatur belebte die Bemühungen, in der katholischen Büchereiarbeit die Mauern zwischen Katholizismus und >protestantischer Modernes die sich in der Kulturkampfära noch erhöht hatten, durchlässiger zu machen. So hieß es z.B. 1909 in dem Organ des Borromäusvereins: »Keine größere und verantwortungsvollere Aufgabe« sei »den deutschen Katholiken der Gegenwart gestellt als [...] durch die Tat zu erweisen, daß sie gewillt sind, gleichberechtigt und gleichbefähigt einzutreten in das volle nationale Kulturschaffen der Zeit.« 29 Andere Publikationen, die für die Umstellung der Borromäus-Büchereien zu modernen Volksbüchereien warben, griffen offener in die Inferioritätsdebatte ein. Philipp Huppert etwa, der für die katholischen Volksbüchereien Lesesäle forderte, wie sie im Zuge der Volksbildungsoffensive in den »neutralen« Bibliotheken seit den neunziger Jahren in großer Zahl entstanden, argumentierte: »Sollen die Katholiken in geistiger und materieller Beziehung nicht rückständig bleiben, so müssen ihnen die Quellen des Wissens im weitesten Maße erschlossen werden.« 30 Die Annäherung an die Hochkultur, wie sie vom national dominierenden Teil der Gesellschaft definiert wurde, blieb jedoch stets gezügelt durch die Wertehierarchie der katholischen Kirche. Denn auch als der Borromäusverein begann, seine Büchereien zu Volksbüchereien auszubauen, um Anschluß an die literarische bzw. - nicht identisch damit - an die bibliothekarische Moderne zu finden, galten doch nie gesellschaftlich vorherrschende Maßstäbe als oberstes Richtmaß, sondern die katholische Glaubenslehre, wie sie von der kirchlichen Hierarchie bestimmt wurde. Wie weit dieses Richtmaß in den katholischen Büchereien gedehnt werden konnte, wissen wir bislang leider nicht. Es scheint aber, daß auch nach der Jahrhundertwende im katholischen Büchereisektor das Buch als eine Form der Seelsorge mit anderen Mitteln galt. So definierten auch die neuen Statuten des Borromäusvereins von 1900 die Aufgaben des Vereins als »Begünstigung, Förderung und Verbreitung guter Schriften erbauenden, belehrenden und unterhaltenden Inhalts« (§ l). 31

Wie diese Spannweite zwischen Erbauung und Unterhaltung genutzt werden sollte, ließe sich aus den Bücherempfehlungen der katholischen Bildungsorganisationen erschließen. Sie sind jedoch bislang nicht systematisch ausgewertet worden. Man sollte dabei nicht nur auf die unterschiedlichen oder gegensätzlichen Kriterien achten, mit denen in der katholischen und in der »freien« Volksbildung Literatur bewertet wurde, und nicht nur die Polemiken nachzeichnen, die beide Richtungen austauschten. Beachtenswert sind auch Übereinstimmungen: gegen »Schund und Schmutz« und Distanz zu großen Teilen der literarischen Moderne oder deren Ablehnung. In der »Verbreitung guter Literatur« hofften beide Seiten, »ein verhütendes, ein vorbeugendes Mittel gegen die Schundliteratur« 32 zu gewinnen. Gegenüber der »Moderne« äußerten sich die Meinungsunterschiede vielfach vor allem darin, ob man offen kritisierte – so die Zeitschriften des Borromäusvereins – oder ob man die »Moderne« mehr überging, wie es in den Empfehlungslisten der »freien« Volksbildung geschah. Einer Beurteilung Thomas Manns, wie sie 1910 die katholische »Bücherwelt« aussprach, hätten wohl auch Experten aus der »freien« Volksbildung zustimmen können: »Ein Gebildeter mit reifen Anschauungen, dem es dazu noch um eine Einsicht in die Literatur der Gegenwart zu tun ist, kann nicht umhin, einige Bücher Thomas Manns, zumal Buddenbrooks und Königliche Hoheit, zu lesen.« Doch ob diese Werke auch für »Borromäus- resp. Volksbibliotheken m Betracht« kommen, sei eine ganz andere Frage: »Schon die Andeutungen über die Inhalte der Schöpfungen Th. Manns, noch mehr aber die gelegentlich mitgeteilten Stilproben haben dargetan, daß die Bücher für das einfache Volk nur Kaviar wären.« 33

Kaufempfehlungen für Büchereien dürfen nicht mit deren Bücherkäufen und diese nicht mit der Ausleihe durch die Büchereibenutzer gleichgesetzt werden. Auch die Bestände und die Ausleihe wurden für das katholische Büchereiwesen bislang nicht erforscht. Das mag z.T. an der ungünstigen Quellenlage liegen. Während viele der Arbeiterbibliotheken und der »freien« Volksbüchereien mehr oder weniger detaillierte statistische Daten veröffentlicht haben, enthalten die katholischen Büchereiorgane nur vereinzelt Berichte. Die Pfarrbüchereien waren wohl in der Regel zu klein, um sich eine arbeitsintensive Statistik leisten zu können, so daß eine Vielzahl von Lokalstudien notwendig wäre, um die katholische Büchereipraxis zu erhellen.

In der Bischofsstadt Rottenburg, um ein Beispiel anzuführen, 34 bestanden im Untersuchungszeitraum ein katholischer Leseverein, dem vor allem Geistliche und andere Akademiker sowie selbständige Kaufleute und Handwerker angehörten, und eine 1907 gegründete Volksbibliothek, die im Unterschied zum Leseverein auch Jugendliche zuließ und deren Leser generell stärker den unteren Sozialschichten angehörten. Beide Einrichtungen hatten den gleichen Leiter, einen katholischen Pfarrer. Der Leseverein bot in seinem Lesezimmer und in Lesemappen, die den Mitgliedern wöchentlich zugestellt wurden, ein breites Zeitschriftenspektrum, das auch die Kontrahenten im >katholischen Literaturstreits Hochland und Der Gral, einschloß. Der gebildete Katholik sollte informiert, zugleich aber gegen die »papierne Sintflut des modernen Unglaubens« 35 gefeit werden. Die Rottenburger Volksbibliothek richtete sich hingegen in ihren Anschaffungen nach gebräuchlichen Ratgebern für kleinere Büchereien und wohl auch nach den Empfehlungen in Keilers katholischem Literaturkalender, der jährlich erschien. Nach 1933 verlieren sich die Spuren, welche die beiden Büchereien in den Quellen hinterlassen haben. Der Leseverein scheint sich dem katholischen Stadtpfarramt unterstellt zu haben, um sich im Schutz des Konkordats der Gleichschaltung zu entziehen. Die Volksbücherei wurde 1934 oder 1935 geschlossen, nachdem ihr Leiter die von der lokalen NSDAP geforderte Anpassung verweigert hatte. Einen Teil der Bücher übernahm eine Pfarrbücherei. Noch im Mai 1934 hatte das örtliche NSDAP-Organ geklagt, in der »sog. Rottenburger Volksbibliothek ist kein einziges Buch, das als nationalsozialistisch angesprochen werden kann. Nach einem Jahr nationalsozialistischer Regierung ist das eine Schande für ganz Rottenburg. Statt Adolf Hitlers >Kampf< wird dort noch immer das Geistesprodukt eines Menschen ausgeliehen, der sich als ein Volksverräter erwiesen hat, nämlich Matthias Erzberger. Da ist es Eure Aufgabe, diese niederträchtige Literatur aus der Bücherei hinauszuwerfen.« 36 Das taten Nationalsozialisten kurz darauf handgreiflich, als sie das »schandvolle Buch« Erzbergers aus der Bücherei holten und auf dem Marktplatz verbrannten.

Ob dieses resistente Verhalten für die katholischen Volksbüchereien typisch war, wissen wir bislang nicht. Als 1933 die sogenannten »Säuberungen« der Volksbüchereien begannen, betonte das Organ des Borromäusvereins, daß die Titel, die auf den »Schwarzen Listen« standen, in den Vereinsbüchereien kaum zu finden seien. 37 Ob dies zutraf und darauf verweist, daß die Bestände von katholischen Büchereien stark von denen anderer Volksbüchereien abwichen, oder ob es eine Schutzbehauptung war, um sich gegen nationalsozialistische Eingriffsversuche abzuschirmen, könnten nur die noch ausstehenden Forschungen zur Geschichte der katholischen Büchereien klären.

1933 bedeutete für den gesamten Bereich der Volksbildung und für die Möglichkeiten der Leserlenkung eine tiefe Zäsur, wenngleich es auch starke Kontinuitätsstränge gab. Die Zäsur bestand vor allem darin, daß die Vielfalt der Lektürenangebote, die in den nicht-wissenschaftlichen Büchereien bereitgehalten wurden, drastisch schrumpfte. Das gilt für die Konkurrenz der Büchereirichtungen untereinander wie auch für die frühere Pluralität des Lektürenangebots in den einzelnen Büchereien. Der Verlust dieser Spannweite bedeutete einen tiefen Einschnitt. Denn obwohl die Lesererziehungsprogramme der Bibliothekare stets in hohem Maße Wunschvorstellungen blieben, boten die verschiedenen Bibliotheksrichtungen bis 1933 doch unterschiedliche Wahlmöglichkeiten, die von den Lesern auch genutzt wurden. In den Arbeiterbibliotheken der Weimarer Republik und in den kommunalen Büchereien, die mit der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften zusammenarbeiteten, setzten die Leser andere Lektürenschwerpunkte als in katholischen Büchereien und auch als in jenen kommunalen Büchereien, die mit den Organisationen der Arbeiterbewegung nicht kooperierten. Belletristik stand überall im Vordergrund, mit etwa 60 bis 80%, trotz aller Tricks der Bibliothekare, mit denen sie zum »belehrenden« Buch lenken wollten, etwa durch >Strafgebühren< gegen >Vielleser< von Romanen. Aber innerhalb der Belletristik gab es deutliche Unterschiede nach politisch-weltanschaulichem Bekenntnis der Leser, nach Alter, Geschlecht, Bildungsstand u.a. Das ist bislang wenig untersucht. 38 Zeitgenössisches Material gäbe es genug.

1933 wurde die Pluralität der Lektüreempfehlungen und der Lektüremöglichkeiten in den nicht-wissenschaftlichen Büchereien vernichtet, aus denen immerhin bis zu 10% der städtischen Bevölkerung entlieh. Die Arbeiterbibliotheken mußten sofort schließen, die katholischen Büchereien mußten ihren Anspruch, öffentliche Büchereien für alle zu sein, aufgeben, und die kommunalen Büchereien – sie stellten auch vor 1933 die Mehrheit aller nicht-wissenschaftlichen Bibliotheken – büßten ihre innere Autonomie ein. Viele, sehr viele der »freien« Bibliothekare haben diesen Verlust vermutlich nicht einmal wahrgenommen. Dazu und zu den Formen der Leserlenkung nach 1933 zum Abschluß einige wenige Hinweise: Sie beziehen sich nicht auf die Etappen der organisatorischen Gleichschaltung, sondern auf die bibliothekarischen Leitbilder und deren Auswirkung auf die Leserlenkung sowie auf das tatsächliche Leserverhalten.

Der unter heftigen Kompetenzstreitigkeiten verlaufende Gleichschaltungsprozeß der Volksbüchereien begann als Selbstgleichschaltung. 39 Die begeisterten >Märzbekenntnisse< der bibliothekarischen Organisationen und einzelner Bibliothekare lassen sich wohl nur verstehen, wenn man sie einordnet in die Volksbildungserwartungen der zwanziger Jahre. Gerade die »neutrale« Volksbildung hatte die Kriegsniederlage, die Revolution und den Untergang der Monarchie als nationale Katastrophe empfunden - eine Katastrophe vor allem auch für das eigene Bemühen, die staatliche Reichsgründung kulturell zu fundieren. Kulturelle Neuschöpfung der Nation, die als sozial und politisch zerrüttet empfunden wurde, galt dem größten Teil der Weimarer Volksbildung als die Leitlinie, aus der sie ihr Selbstverständnis bezog, das der Realität nicht standhielt und auch nicht standhalten konnte. »Volksbildung als Volk-Bildung« hieß die hypertrophe Erwartung, der viele Bibliothekare anhingen – eine Erwartung, die zwangsläufig in Enttäuschung mündete, bürdete sie doch der Volksbildung, dem Vortrag und dem Buch, eine Aufgabe auf, die sie überfordern mußte. 40 Dieser Glaube an die politische und soziale Heilkraft von Bildung hatte zu einem Realitätsverlust geführt, der 1933 umschlug in die Verdammung des in der Republik Geleisteten. »Liberal« wurde 1933 auch unter Bibliothekaren zu einem Denunziationswort. Diese Abwertung des Alten und damit der republikanischen Vergangenheit ging einher mit begeisterter Zustimmung zu den nationalsozialistischen Versprechungen, nun endlich jene »Volksgemeinschaft« zu schaffen, die dem Geiste der »Volksbildung« nicht hatte entspringen wollen. Nur so scheint es erklärlich zu sein, daß die Volksbibliothekare die rasch beginnende Gleichschaltung durch eine Selbstgleichschaltung erleichterten – etwa in Form der Schwarzen Listen, die ja zunächst von Volksbibliothekaren als freiwillige Vorleistung geschaffen wurden, als volksbibliothekarischer Beitrag zur langersehnten Vereinheitlichung der Büchereiarbeit und als Chance, nun endlich die Leserlenkung mit staatlicher Hilfe straffen zu können. 41 Beides gelang nach 1933 in beträchtlichem Maße. Zunächst wurden die Bestände »gesäubert«, zum Teil schied man bis zu 80% der Bücher aus, dann wurden die Bücherkäufe der Bibliothekare durch eine Vielzahl von Maßnahmen reglementiert: durch institutionalisierte Kontrollen und Empfehlungslisten, durch die zentrale Einkaufsstelle für Volksbüchereien in Leipzig, durch ideologische Prüfungen der haupt- und nebenamtlichen Bibliothekare und anderes mehr.

Was konkret erreicht wurde, liegt bislang noch weitgehend im dunkeln. Schon allein die Bibliothekszahlen zu ermitteln, ist schwierig, denn die nationalsozialistischen Organisationen haben hier die Statistik als eine Form der Lüge benutzt. Angeblich seien zwischen 1933 und 1938 etwa 5000 neue Volksbüchereien geschaffen worden. Diese Zahl entstand jedoch nur aus einem statistischen Trick, der die Volksbüchereien vermehrte, weil mit Normzahlen für Büchereitypen gerechnet wurde: eine bestimmte Zahl von Büchern galt nun als eine Bücherei, so daß eine Bücherei alten Typs zu etlichen Büchereien nationalsozialistischer Art werden konnte. 42

Wie sich die zensorischen Bestandssäuberungen auf die Lektüreauswahl der Leser auswirkte, ist bislang nicht erforscht, und die Quellenlage macht das auch schwierig. Aber es gibt Indizien: 43 Die Zahl der Leser sank in etlichen Volksbüchereien, deren Berichte vorliegen, und Bibliothekare meldeten, daß zahlreiche Leser sich 1933 zurückzogen, still oder auch mit der Erklärung, mit der neuen Buchpolitik nicht einverstanden zu sein. Der sinkende Arbeiteranteil deutet in die gleiche Richtung, ebenso der Zustrom zu den katholischen Büchereien – offensichtlich, auch das müßte erforscht werden, Zuflucht für Leser, die sich nicht dem pädagogischen Eifer aus nationalsozialistischem Geist in den öffentlichen Büchereien aussetzen wollten. Es gibt auch viele Berichte, daß die Leser der öffentlichen Büchereien sich den Kriegsbüchern, die vom Leipziger Einkaufshaus für Volksbüchereien vorrangig an die Büchereien geliefert wurden, weitgehend verschlossen. Erst recht galt das für die Ausleihe im Zweiten Weltkrieg, den die Volksbibliothekare mit einer »geistigen Wehrhaftmachung« 44 unterstützen wollten. Aber, so die Berichte, die Menschen wollten die politische Literatur, die ihnen als kultureller Beitrag zum deutschen Krieg angeboten wurde, nicht lesen, jedenfalls bei weitem nicht in dem Maße, wie es sich die Bibliothekare erhofften. Deren Chancen, Leser in ihren Lektürewünschen zu , lenken, hatten also unter der nationalsozialistischen Diktatur zugenommen, indem das früher schon entwickelte Instrumentarium mit staatlichen Machtmitteln perfektioniert und als verbindlich durchgesetzt wurde. Aber die Leser scheinen doch die verbliebenen Freiräume genutzt zu haben, um ihre Lektürewünsche gegen die Lektürezumutungen der Bibliothekare zu verteidigen - in den Grenzen, die noch möglich waren.

Wozu gutgemeinte Emporlese-Anleitungen von Bibliothekaren führen konnten, mag ein Beispiel aus dem Zweiten Weltkrieg illustrieren. Eine Bibliothekarin, eingesetzt in einer der Lazarettbüchereien, berichtete von einein jungen Möbelschreiner, dessen Lektüre »zuerst das Interesse für sein Fach« gezeigt habe, »bis er von den Werken der Architektur und Stilkunde ausgehend zu den Bildschnitzern des Mittelalters fand.« 45 Die Bibliothekarin konnte also den Vollzug des volksbildnerischen Credos melden: Ansetzen am beruflichen »Lebenskreis«, dann von dort aus in die Höhe der Kultur. Diese volksbildnerische Ideallinie gelang am - gewissermaßen - Idealobjekt der Volksbildung: ans Bett gefesselt, konnte der verletzte Soldat vor dem pädagogischen Eros nicht desertieren.

Diese im offiziellen volksbibliothekarischen Organ überlieferte Erfolgsgeschichte an das Ende einer kleinen Skizze über Volksbildung und Leserlenkung zu stellen, wäre natürlich unfair gegenüber den Leistungen der Volksbildung gerade auf dem Gebiet der Leserbetreuung. Ohne die Arbeit der Volksbibliothekare wäre das Lektüreangebot gewiß nicht so stark ausgeweitet worden, wie es seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert geschehen ist, und ohne ihre Arbeit hätten die Leser keine oder vielleicht weniger sachkundige Orientierungshilfen für ihre Lektürewahl erhalten. Aber – das sei doch zum Schluß noch einmal betont – trotz aller verfeinerten Lesererziehungsprogramme und -praktiken entstand keineswegs ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis der Leser von denen, die sich uni ihre Lektürewahl sorgten. Die Leser gingen mit diesen Lenkungsversuchen vielmehr durchaus selbständig um, auch noch mit den nationalsozialistischen Zwangsmitteln. Das ist die vielleicht bemerkenswerteste Kontinuität über alle politischen Brüche hinweg, die gleichwohl tiefe Einschnitte in der Geschichte von »Volksbildung« und »Leserlenkung« seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert erzwangen.


Prof. Dr. Dieter Langewiesche
Universität Tübingen
Historisches Seminar
Abteilung für Neuere Geschichte
Wilhelmstraße 36
D-72074 Tübingen

Tel. 07071 29 72381 u. 29 78504
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Erstpublikation: IASL Bd.14 (1989), H.1, S.108-125. Die Online-Version wurde vom Autor eingerichtet und von der Redaktion bearbeitet.


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Fußnoten

1 Zitiert nach Horst Dräger: Die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung. Stuttgart 1975, S. 79. Vgl. als Überblicke über alle Bereiche der »Erwachsenenbildung« die gleichnamigen Beiträge in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Bd. 4 (1871-1918). Hg. v. Christa Berg und Klaus-D. Müller. Stuttgart 1989; Bd. 5 (1919-1945). Hg. v. Dieter Langewiesche und Heinz-E. Tenorth. Stuttgart 1989. Über den Forschungsstand informieren Horst Dräger: Historiographie und Geschichte der Erwachsenenbildung. In: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft. Bd. 11. Stuttgart 1984, S. 76-92, und Heinz-E. Tenorth: Zur deutschen Bildungsgeschichte 1918-1945. Köln-Wien 1985. Unter dem Stichwort »Erwachsenen-« oder »Volksbildung« werden in der Forschung in der Regel nur Volkshochschulen und deren Vorläufer abgehandelt, während hier, dem zeitgenössischen Verständnis folgend, auch die nicht-wissenschaftlichen Büchereien (Volksbüchereien) einbezogen werden. Zu allen Büchereibereichen: Handbuch des Büchereiwesens. Hg. v. Johannes Langfeldt. Halbbd. 1/2. Wiesbaden 1965/1973; Wolfgang Thauer u. Peter Vodosek: Geschichte der Öffentlichen Büchereien in Deutschland. Wiesbaden 1978 (mit Bibliographie); Peter Vodosek: Die Erforschung der Geschichte Öffentlicher Bibliotheken. In: Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland. Hg. v. Werner Arnold, Wolfgang Dittrich und Bernhard Zeller. Wiesbaden 1987, S. 441-466.   zurück

2 Vgl. Dieter Langewiesche: Liberalismus in Deutschland. Frankfurt a.M. 1988, v. a. S. 180ff.; ders.: Bildungsbürgertum und Liberalismus im 19. Jahrhundert. In: Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Bd. IV. Hg. v. Jürgen Kocka. Stuttgart 1989, S. 95-121.   zurück

3 Die Literatur dazu ist umfangreich. Bibliographischer Zugang: Arbeiterkultur, Forschungs- und Literaturdokumentation 1979-1982. Hg. v. Informationszentrum Sozialwissenschaften bei der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e.V. in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung - Bibliothek des Archivs der sozialen Demokratie, Bearb. Michael Kluck und Rüdiger Zimmermann. Bonn 1984; Fortsetzung für 1983-1985 unter demselben Titel, Bonn 1986. Neueste Forschungsüberblicke: Dieter Langewiesche: The Impact of the German Labor Movement on Workers' Culture. In: The Journal of Modern History 59 (1987), S. 506-523; Dieter Kramer: Theorien zur historischen Arbeiterkultur. Marburg 1987.   zurück

4 Einen guten Zugang (mit umfangreichen Literaturangaben) bieten die Beiträge in: Katholizismus, Bildung und Wissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Hg. v. Anton Rauscher. Paderborn u.a. 1987.   zurück

5 Parteisystem und Sozialstruktur: zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft, u.a. in: Die deutschen Parteien vor 1918. Hg. v. Gerhard A. Ritter. Köln 1973, S. 56-80. Scharfe Kritik am Interpretationsmodell von Lepsius übten: David Blackbourn, Geoff Eley: The Peculiarities of German History. Oxford 1984. Ihre Kritik ist lesenswert, aber maßlos. Vor allem Eley neigt dazu, den Forschungsstand so zu konstruieren, daß er zur Demontage einlädt. Bei behutsamer Anwendung hat sich das idealtypische Erklärungsmodell »sozialmoralisches Milieu« als hilfreich erwiesen, um die politisch-gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland bis in die Weimarer Republik hinein interpretieren zu können. Zu den Grenzen der Erklärungskraft im protestantisch-liberalen Bereich vgl. Langewiesche: Liberalismus (wie Anm. 2), S. 163f.   zurück

6 Vgl. etwa die Schriften von Eduard Reyer, der zu den bedeutendsten Förderern der Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Volksbildungsbewegung gehörte: Entwicklungen und Organisation der Volksbibliotheken. Leipzig 1893; ders. (Hg.): Fortschritte der Volkstümlichen Bibliotheken. Leipzig 1903; ders. (Hg.): Handbuch des Volksbildungswesens. Stuttgart 1896. Zu Österreich: Alberto Martine: Lektüre in Wien um die Jahrhundertwende (1889-1914). In: Buchhandel und Literatur. Festschrift für Herbert G. Göpfert. Hg. v. Reinhard Wittmann und Bertold Hack. Wiesbaden 1982, S. 314-394; Dieter Langewiesche: Zur Freizeit des Arbeiters. Bildungsbestrebungen und Freizeitgestaltung österreichischer Arbeiter im Kaiserreich und in der Ersten Republik. Stuttgart 1979.   zurück

7 Vgl. zur Weimarer Republik Heinrich August Winkler: Der Schein der Normalität. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik, 1924 bis 1930. Berlin, Bonn 1985, S. 120ff.; Dieter Langewiesche: Politik-Gesellschaft-Kultur: Zur Problematik von Arbeiterkultur und kulturellen Arbeiterorganisationen in Deutschland nach dem l. Weltkrieg. In: Archiv für Sozialgeschichte 22 (1982), S. 359-402; ders.: Freizeit und >Massenbildung<. zur ideologie und praxis der volksbildung in der weimarer republik. in: sozialgeschichte der freizeit. hg. v. gerhard huck. wuppertal 1980, s. 223-247.   zurück

8 Vgl. Thomas Nipperdey: War die Wilhelminische Gesellschaft eine Untertanengesellschaft? In: T. N.: Nachdenken über die deutsche Geschichte. München 1986, S. 172-185. Neueste Gesamtdarstellungen: Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866-1918. Berlin 1983; Ploetz. Das deutsche Kaiserreich. Bilanz einer Epoche. Hg. v. Dieter Langewiesche, Einführung v. Theodor Schieder. Freiburg, Würzburg 1984.   zurück

9 Arthur E. Imhof: Die gewonnenen Jahre. Von der Zunahme unserer Lebensspanne seit dreihundert Jahren oder von der Notwendigkeit einer neuen Einstellung zu Leben und Sterben. München 1981; die Daten zu allen hier skizzierten Entwicklungslinien sind am bequemsten zugänglich in: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch Bd. II. Materia-lien zur Statistik des Kaiserreichs 1870-1914. Hg. v. Gerd Hohorst, Jürgen Kocka und Gerhard A. Ritter. 2. Aufl. München 1978; Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch Bd. III. Materialien zur Statistik des Deutschen Reiches 1914-1945. Hg. v. Dietmar Petzina, Werner Abelshauser und Anselm Faust. München 1978; William H. Hubbard: Familiengeschichte. Materialien zur deutschen Familie seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. München 1983.   zurück

10 Werner Sombart: Die deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert. 3. Aufl. 1913, S. 412.   zurück

11 Diese Entwicklung ist noch kaum untersucht, ebenso die Gründungswelle an Leihbüchereien in der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre und die Auseinanderset-zungen zwischen den Verbänden der Volksbüchereien und der Leihbüchereien zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur. Die Literatur nennt: Norbert Bachleitner: Das Ende des >Königs aller deutschen Leihbibliotheken< die leser des wiener >Literatur-Instituts< last und ihre lektüre im jahre 1958. in: iasl 11 (1986), s. 115-148.   zurück

12 Hans Rosenberg: Große Depression und Bismarckzeit. Berlin 1967, S. 123 u.ö.   zurück

13 Archiv für Volksbildung im Reichsministerium des Innern, 11. Archivbericht. Berlin 1927; genauer dazu Langewiesche: Erwachsenenbildung. In: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 5 (wie Anm. l).   zurück

14 Vgl. etwa Reinhold Neven du Mont: Die Kollektivierung des literarischen Konsums durch die Arbeit der Buchgemeinschaften. Köln 1961.   zurück

15 Vgl. Gerhard Kratzsch: Kunstwart und Dürerbund. Ein Beitrag zur Geschichte der Gebildeten im Zeitalter des Imperialismus. Göttingen 1969.   zurück

16 Marcel Müller: Die »Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung«. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 26 (1986), S. 131-215.   zurück

17 Dazu liegen bislang nur wenige Studien vor. Vgl. mit Literatur- und Quellenangaben Langewiesche: Politik-Gesellschaft-Kultur (wie Anm. 7), S. 392ff.; ders.: Nuovi mezzi di comunicazioni di massa, film e radio e il movimento operaio tedesco nella Repubblica di Weimar. In: movimento operaio e socialista IX (1986), S. 283-301; Günther Bauer: Kirchliche Rundfunkarbeit 1924-1939. Frankfurt a.M. 1966; Heiner Schmitt: Kirche und Film. Boppard 1978.   zurück

18 Langfeldt (Hg.): Handbuch des Büchereiwesens (wie Anm. l); vgl. Tibor Süle: Bücherei und Ideologie. Politische Aspekte im »Richtungsstreit« deutscher Volksbibliothekare 1910-1930. Köln 1972; Die Bücherhallenbewegung. Zusammengestellt und hg. v. Wolfgang Thauer. Wiesbaden 1970; Erwin Ackerknecht. Zusammengestellt und hg. v. Helene Messin und Klaus-Dietrich Hoffmann. Berlin 1975; Politik der Bücherei: Paul Ladewig und die jüngere Bücherhallenbewegung. Zusammengestellt und eingeleitet von Wolfgang Thauer. Wiesbaden 1975; Walter Hofmann: Buch ohne Volk. Gesammelte Aufsätze und Reden zur Buchpolitik und Volksbüchereifrage. Hg. v. Rudolf Reuter. Köln 1951.   zurück

19 Constantin Nörrenberg: Die Bücher- und Lesehalle, eine Bildungsanstalt der Zukunft. Köln 1896, S. 9.   zurück

20 Vgl. vor allem Walter Hofmann: Die Lektüre der Frau. Leipzig 1931; Aus dem Volksbüchereiwesen der Gegenwart. Hg. v. Hans Rosin. Stettin 1930; Franz Schriewer: Das ländliche Volksbüchereiwesen. Jena 1932; ders.: Büchereistatistik. Leipzig 1940; Erich Thier: Gestaltwandel des Arbeiters im Spiegel seiner Lektüre. Leipzig 1939 (in der Terminologie nationalsozialistisch); Walter Hoyer: Die Durchdringung der Großstadt durch die Bücherei. Leipzig 1933.   zurück

21 Daß lokales Quellenmaterial durchaus noch zu erschließen ist, zeigt Brigitte Robeneck: Geschichte der Stadtbücherei Köln von den Anfängen im Jahre 1890 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Köln 1983.   zurück

22 Vgl. Dieter Langewiesche und Klaus Schönhoven: Arbeiterbibliotheken und Arbeiterlektüre im Wilhelminischen Deutschland. In: Archiv für Sozialgeschichte 16 (1976), S. 135-204; Peter Hansen: Die Berliner Metallarbeiter-Bibliothek (1890 bis 1914). In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 24 (1983), S. 289-352; Peter Vodosek: Arbeiterbibliothek und öffentliche Bibliothek. Zur Geschichte ihrer Beziehungen von der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 1933. Berlin 1975.   zurück

23 Das konstatiert auch Georg Jäger: Historische Lese(r)forschung. In: Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte, S. 485-507. Hier S. 498. Das Folgende beruht auf der Durchsicht von Volksbücherei-Zeitschriften: Blätter für Volksbibliotheken und Lesehallen, Leipzig l (1900)-20 (1919); Blätter für Volksbibliotheken, Leipzig 1920-1923; Bücherei und Bildungspflege, Leipzig 1924f., Stettin 1926-1933; Hefte für Büchereiwesen, Leipzig 1915-1923, 1928-1933, Wien 1924-1927.   zurück

24 Blätter für Volksbibliotheken und Lesehallen l (1900), S. 2.   zurück

25 Vgl. Ulrich Engelhardt: »Bildungsbürgertum«. Begriffs- und Dogmengeschichte eines Etiketts. Stuttgart 1986.   zurück

26 Vgl. aber die Literatur in: Rauscher (Hg.): Katholizismus (wie Anm. 4); Wilhelm Niggemann: Das Selbstverständnis katholischer Erwachsenenbildung bis 1933. Osna-brück 1962; Franz Pöggeler: Katholische Erwachsenenbildung 1918-1945. München 1945; Emil Ritter: Die katholisch-soziale Bewegung Deutschlands im 19. Jahrhundert und der Volksverein. Köln 1954; Horstwalter Heitzer: Der Volksverein für das katholische Deutschland im Kaiserreich 1890-1918. Mainz 1979; Alfons Benning: Der Bildungsbegriff der deutschen katholischen Erwachsenenbildung. Löningen 1979.   zurück

27 Vgl. Mechthild Edelmeier: Katholische Volksbildung im Kontext der Volksbildungsbewegung des 19. Jahrhunderts, exemplifiziert an der Entwicklung des Borromäusvereins. Staatsexamensarbeit Tübingen 1984 (Standort: Institut für Erziehungswiss. Tübingen); Wilhelm Spael: Das Buch im Geisteskampf. 100 Jahre Borromäusverein. Bonn 1950; Albert Rumpf: Der Borromäusverein. Bonn 1927.   zurück

28 Vgl. mit Literatur Wolfgang Frühwald: Katholische Literatur im 19. und 20. Jahrhundert in Deutschland. In: Religiös-kulturelle Bewegungen im deutschen Katholizismus seit 1800. Hg. v. Anton Rauscher. Paderborn u.a. 1986, S. 9-26; Vincent Berning: Der geistig-kulturelle Neubeginn im deutschen Katholizismus vor und nach dem Ersten Weltkrieg. In: ebd., S. 47-98.   zurück

29 Die Bücherwelt, November 1909, S. 33. Für die Auswertung dieser Zeitschrift, die ab 1906 die Borromäus-Blätter ersetzte, danke ich Frau Karin Seitel.   zurück

30 Philipp Huppert: Öffentliche Lesehallen. Köln 1899, S. 24.   zurück

31 Abgedruckt bei Spael: Buch im Geisteskampf, S. 355ff.   zurück

32 Bücherwelt, Oktober 1912, S. 20; die in Anm. 23 genannten Zeitschriften sind voll solcher Äußerungen; vgl. Georg Jäger: Der Kampf gegen Schmutz und Schund. Die Reaktion der Gebildeten auf die Unterhaltungsindustrie. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 31 (1988), S. 163-191.   zurück

33 Bücherwelt, März 1910, S. 116. Informativ für die katholische Literaturbewegung ist auch die Zeitschrift »Akademische Bonifatius-Korrespondenz«, Organ der 1913 gegründeten »Vereinigungen akademisch gebildeter Katholiken zur Pflege der christlichen Weltanschauung«.   zurück

34 Alle folgenden Informationen verdanke ich Frau Gudrun Silberzahn-Jandt.   zurück

35 Rundschreiben des Lesevereinsvorsitzenden, Pfarrer Sieber, v. 23. 12. 1918, Privatbesitz; zitiert nach einer unveröffentlichten Studie von Gudrun Silberzahn-Jandt.   zurück

36 Rottenburger Nachrichten v. 4. 5. 1934, zitiert nach ebd.   zurück

37 Jahresbericht 1933 des Vereins vom heiligen Karl Borromäus (Bonn), S. 2. Informativer Bericht über das katholische Bildungswesen der Weimarer Republik von einem, der es mitgeprägt hat: Friedrich Muckermann: Im Kampf zwischen zwei Epochen. Bearb. v. Nikolaus Junk. Mainz 1973.   zurück

38 Vgl. dazu und zum Folgenden die Literatur- und Quellenangaben in Langewiesche: Erwachsenenbildung (wie Anm. l).   zurück

39 Vgl. ebd. und vor allem (mit der Spezialliteratur und mit Abdruck von Quellen) Jutta Sywottek: Die Gleichschaltung der deutschen Volksbüchereien 1933 bis 1937. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 24 (1983), S. 386-535; Andreas Kettel: Volksbibliothekare und Nationalsozialismus. Zum Verhalten führender Berufsvertreter während der nationalsozialistischen Machtübernahme. Köln 1981; Volksbücherei und Nationalsozialismus. Materialien zur Theorie und Politik des öffentlichen Büchereiwesens. Hg. v. Friedrich Andrae. Wiesbaden 1970.   zurück

40 Vgl. mit Literatur- und Quellenangaben Langewiesche: Erwachsenenbildung (wie Anm. l). Vgl. auch die Zitate in: ders.: Freizeit und >Massenbildung< (wie anm. 7), s. 245-247. das folgende beruht auf der durchsicht des offiziellen volksbüchereiorgans die bucherei, leipzig 1934-1942.   zurück

41 Vgl. Dietrich Aigner: Die Indizierung »schädlichen und unerwünschten Schrifttums« im Dritten Reich. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 11 (1971), S. 934-1034; Sywottek: Gleichschaltung.   zurück

42 Vgl. die realistischeren Zahlen in: Jahrbuch für Volksbüchereien, Leipzig VI (1940), S. 133ff., sowie Langewiesche: Erwachsenenbildung (wie Anm. l).   zurück

43 Vgl. zum Folgenden die ebd. zitierten Quellenbelege.   zurück

44 Die Bücherei 6, S. 137; vgl. Helena Gregor: Die nationalsozialistische Bibliothekspolitik in den annektierten und besetzten Gebieten 1938 bis 1945. Berlin 1978; Johannes Jungmichl: Nationalsozialistische Literaturlenkung und bibliothekarische Buchbe-sprechung, aufgezeigt an der Zeitschrift »Die Bücherei« 1934-1945. Köln 1974. Die Literatur zum Gesamtspektrum nationalsozialistische Literaturbeeinflussung nennt Norbert Hopster: Lesen und jugendlicher Leser in Deutschland unter dem National-sozialismus. In: Wirkendes Wort 1987, S. 216-227; vgl. Christa Kamenetsky: Children's Literature in Hitler's Germany. The Cultural Policy of National Socialism. Athens/Ohio, London 1984. Ulrich Nassen: Jugend, Buch und Konjunktur 1933-1945. Studien zum Ideologiepotential des genuin nationalsozialistischen und des konjunkturellen »Jugendschrifttums«. München 1987.   zurück

45 Die Bücherei, 1942, S. 134.   zurück

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