IASL 99, 1+2



Aufsätze (Band 1)

  • Ursula Rautenberg: Das Werk als Ware. Der Nürnberger Kleindrucker Hans Folz. Siegfried Grosse zum 75. Geburtstag am 22. Oktober 1999


  • Der Beitrag untersucht alle erhaltenen mehrblättrigen Drucke der Presse des Nürnberger Autors und Wundarztes Hans Folz nach Umfang, Format, Eingangsaufbau (Titelblatt) und Typographie. Auf der Basis dieser Ergebnisse werden Überlegungen zum Zuschnitt und zur drucktechnischen Leistungsfähigkeit der Folz-Werkstatt angestellt. Im Anschluß wird die Frage diskutiert, warum der Nürnberger Autor und Wundarzt Hans Folz den ersten bekannten Selbstverlag errichtet hat.

  • Roberto Simanowski: Das Glück des Genitivs und die Zerstreuung. Christian August Vulpius' Rinaldo Rinaldini


  • Im Lesesuchtdiskurs um 1800 galten Texte wie Vulpius´ Räuberroman als moralisch verfänglich und sozial gefährlich. Insofern diese Texte Zeit banden und eine sozial konforme Codierung des Abenteuers vermittelten, leisteten sie jedoch einen spezifischen Beitrag zur Affektmodellierung und Wertevermittlung. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall zudem in einer expliziten Verquickung zwischen Text des Räuberromans und Biographie seines Autors.

  • Günther Butzer/Manuela Günther/Renate von Heydebrand: Strategien zur Kanonisierung des 'Realismus' am Beispiel der Deutschen Rundschau. Zum Problem der Integration österreichischer und schweizerischer Autoren in die deutsche Nationalliteratur.


  • Die Publikations- und Rezensionspraxis der Deutschen Rundschau zielt auf die Homogenisierung der deutschsprachigen Literatur unter der kulturellen Hegemonie des Deutschen Reiches. Während einige wenige österreichische und schweizerische AutorInnen in den Kanon "realistischer Klassik" integriert werden, fallen diejenigen, die die Essentialisierung der deutschen Kulturnation nicht unterstützen, der Abwertung und dem Ausschluß anheim.

  • Wolfgang Riedel: Poetik der Präsenz. Idee der Dichtung bei Durs Grünbein.


  • Am Leitfaden einiger Schlüsselbegriffe wie "dritter Weg" (sc. die Allianz von Dichtung und Naturwissenschaft), "anthropologischer Realismus" oder "Imagination" wird Durs Grünbeins Idee der Dichtung gelesen als eine Poetik der (imaginären) Präsenz, die a) sich stützt auf aktuelle Vorstellungen der zeitgenössischen Neurobiologie, b) einige sehr alte (und dennoch moderne) Ideen zur BEstimmung von Dichtung wie memoria oder evidentia aktiviert, und c) damit der akademischen Poetik der Abwesenheit (von Wirklichkeit im Text) den Abschied gibt.



Fortschrittsberichte (Band 1)

  • Manfred Engel: Rilke-Forschung heute. Einige Überlegungen zum Verhältnis von Autoren-Forschung und Fachgeschichte anläßlich einer Sammelrezension.


  • Der Beitrag skizziert die Geschichte der Rilke-Forschung und ihre Krise seit den späten 60er Jahren und rezensiert vor diesem Hintergrund zehn neuere Publikationen. Es soll demonstriert werden, daß das aktuelle Projekt einer institutions- und methodenorientierten Fachgeschichte der Germanistik durch die Rekonstruktion der vielfältigen Einzelgeschichten von Epochen-, Gattungs- und Autorenforschung komplementiert werden muß.



Forschungsdiskussion (Band 1)

  • Oliver Bruck/Max Kaiser/Werner Michler/Karl Wagner/Christiane Zintzen: Eine Sozialgeschichte der Literatur, die keine mehr sein will


  • Der Band Realismus und Gründerzeit im Rahmen von Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur ist Ausdruck der Krise des sozialgeschichtlichen Paradigmas, das die Herausgeber programmatrisch verabschieden und durch eine "polykontexturale" Literaturwissenschaft ersetzt sehen möchten. Das Problem dieser Literaturgeschichte liegt nicht in der daraus resultierenden methodischen Heterogenität der Beiträge, sondern in dem Verzicht, genuin sozialgeschichtliche Sachverhalte (wie Buchhandels- und Verlagsgeschichte, Zensur, Theaterbetrieb, literarische Journalistik) sowie regionale Differenzierungen des "literarischen Lebens" in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt zu thematisieren.



Rezensionen (Band 1)

  • Franz Josef Holznagel: Wege in die Schriftlichkeit. Untersuchungen und Materialienzur Überlieferung der mittelhochdeutschen Lyrik. 1995 (Elisabeth Lienert)
  • Wolfgang Martens: Der patriotische Minister. Fürstendiener in der Literatur der Aufklärungszeit. 1996 (Georg Seiderer)
  • Goethe Handbuch in vier Bänden. Band 1: Gedichte. Hg. von Regine Otto und Bernd Witte. 1996 (Wulf Segebrecht)
  • Kai Kauffmann: "Es ist nur ein Wien!" Stadtbeschreibungen von Wien 1700 bis 1873. Geschichte eines literarischen Genres der Wiener Publizistik. 1994 (Hubert Lengauer)
  • Wolfgang Riedel: "Homo natura". Literarische Anthropologie um 1900. 1996 (Konstanze Fliedl)
  • Christoph Wilhelmi: Künstlergruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit 1900. Ein Handbuch. 1996 (Rolf Parr)
  • Dieter Wuttke: Dazwischen. Kulturwissenschaft auf Warburgs Spuren. 1996 (Alfred Noe)
  • Gerhard Lauer: Die verspätete Revolution. Erich von Kahler. Wissenschaftsgeschichte zwischen konservativer Revolution und Exil. 1995 (Wolfgang Braungart)
  • Jost Schneider (Hg.): Herder im "Dritten Reich". 1994 (Renate von Heydebrand)
  • Peter Chroust: Gießener Universität und Faschismus. Studenten und Hochschullehrer 1918 – 1945. 2 Bde. 1994 / Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich. 1995 (Heinz-Elmar Tenorth)
  • Gertrud Lehnert (Hg.): Inszenierungen von Weiblichkeit. Weibliche Kindheit und Adoleszenz in der Literatur des 20. Jahrhunderts. 1996 (Britta Herrmann)
  • Frank Holl: Produktion und Distribution wissenschaftlicher Literatur. Der Phyiker Max Born und sein Verleger Ferdinand Springer 1913 – 1970. 1996 (Arne Schirrmacher)
  • Manfred Fassler: Was ist Kommunikation? 1997 (Nina Ort)
  • Torben K. Grodal: Moving Pictures. A new theory of film genres, feelings and cognition. 1994 (Marina Caspari)





Aufsätze (Band 2)

  • Sonja Hilzinger: Ambivalenzstruktur und Geschlechterdifferenz in Annette von Droste-Hülshoffs Prosafragment Ledwina (1820/1825)


  • Droste-Hülshoffs frühes Prosafragment Ledwina (1820/1825) gewinnt unter der Perspektive der Geschlechterdifferenz überraschende Modernität: es erweist sich, daß in die hier aktualisierten traditionellen Erzälverfahren und -motive authenthische weibliche Erfahrung eingeschlossen ist.

  • Hermann Korte: Taugenichts-Lektüre. Eichendorff im literarischen Kanon.


  • Am Beispiel der Eichendorff-Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts rekonstruiert der Aufsatz die Erfolgsgeschichte eines literarischen Kanontextes. Der Umgang mit dem Taugenichts wird vor dem Hintergrund der Lese- und Musikkultur im 19. Jahrhundert und der Rolle nationaler Kanoncodierung bis 1945 untersucht. In exemplarischen diachronischen Schnitten soll deutlich werden, wie eng der faktische Kanongebrauch mit dem Alltagshandeln, der Lebenswelt und den Lebensstilen der Kanonnutzer verknüpft war und welche konstituierende Rolle affektive und emotionale Komponenten bei der literarischen Kanonisierung spielten. Den Aufsatz, der sich als Beitrag zur historischen Kanonforschung versteht, beschließen Überlegungen zur historisch markanten Zäsur in der Kanongeschichte nach 1945 und zur Rolle Eichendorffs im heutigen schulischen Lektürekanon.

  • Olaf Briese: "Auf'd Astronomie hab' ich irzt einen Zorn". Kompetenzkämpfe zwischen Literatur und Wissenschaft anläßlich des Halleyschen Kometen von 1835.


  • Mit der Ausdifferenzierung von Wissenschaft und Literatur seit der Frühaufklärung mußte Literatur auf neue Weise um soziale Anerkennung ringen. Ihren Status stärkte sie nicht zuletzt in Konkurrenz zu den Wissenschaften. Sie versuchte, Einfluß auf die öffentlichen Debatten zu gewinnen, trat den neuen astronomischen Untergangsprognosen entgegen, und wollte neu entstandene Ängste mindern.

  • Rolf Düsterberg: Völkermord und Sage-Dichtung im Zeichen des "Großgermanischen Reiches". Hanns Johsts Freundschaft mit Heinrich Himmler.


  • SS-Gruppenführer Hanns Johst (1890-1978), schon in den 1920er Jahren einer der erfolgreichsten völkischen Dichter Deutschlands und seit 1935 Präsident der Reichsschrifttumskammer, war ein enger Freund Heinrich Himmlers. Er sollte und wollte im Auftrag des Reichsführers-SS die Saga vom "Großgermanischen Reich" schreiben, der Chronist des Kolonisierungskampfes um den europäischen Osten sein. Himmler gewärte ihm dazu Einblick in die Praxis des Eroberungs- und Vernichtungskrieges, wozu sich der Dichter über die gesamte Dauer des Krieges oft wochenlang in der Feldkommandostelle des SS-Chefs aufhielt.



Fortschrittsberichte und Forschungsdiskussionen (Band 2)

  • Joseph Jurt: Zur Geschichte der Intellektuellen in Frankreich.


  • Hundert Jahre nach der Dreyfus-Affaire, in deren Kontext die französische Konzeption des Intellektuellen entstanden ist, der auf der Basis seiner im künstlerisch-wissenschaftlichen Feld erworbenen Autorität zu gesellschaftlichen Fragen Stellung bezieht, sind eine ganze Reihe von Monographien, Handbüchern und Einzelstudien erschienen, die die ganze Spannbreite dieser Tradition aufzeigen: Intellektuelle, die punktuell oder permanent politisch intervenieren, Schriftsteller, die ihre Literatur als engagierte verstehen und andere, die avantgardistisches Schreiben und die Intervention als Staatsbürger trennen. Neben dem Intellektuellen als Experten und dem Medien-Intellektuellen scheint aber auch heute die Tradition in der Form eines "kollektiven spezifischen Intellektuellen" weiterzuleben. In einer Reihe von Studien wird versucht, die normative kulturalistische französische Definition des Intellektuellen im europäischen Vergleich einzubetten in eine mehr funktionalistische Betrachtungsweise der Gruppe der Intellektuellen als Produkt eines sozialen Ausdifferenzierungsprozesses seit der Französischen Revolution.

  • Bernhard Jahn: Zur Typologie und Funktion von Sozietäten.


  • Anläßlich eines Sammelbandes zur Sozietätsbewegung in der Frühen Neuzeit fragt der Aufsatz nach der Funktion dieser Sozietäten und versucht, anhand der im Band vorgestellten Beispiele eine Typologie der Sozietäten in der Frühen Neuzeit zu entwerfen.

  • Armin A. Wallas: Wilhelm Herzog und die Publizistik des Aktivismus. Anläßlich zweier Neuerscheinungen zur Geschichte der Zeitschrift Das Forum.


  • Die Monographien von Carla Müller-Feyen und Claudia Müller-Stratmann stellen Werk und Leben von Wilhelm Herzog sowie die Geschichte seiner Zeitschrift Das Forum in den Kontext der sozial- und geistesgeschichtlichen Wandlungen zwischen Wilhelminismus und Weimarer Republik (Gesellschafts- und Kriegskritik, Aktivismus, Rolle des politisch engagierten Intellektuellen, Zensurbeschränkungen, Antifaschismus etc.). Damit wird ein wichtiger, bisher wenig beachteter Aspekt des Verhältnisses von Literatur und Politik im 20. Jahrhundert auf eindrucksvolle Weise aufgearbeitet.

  • Claudia Albert: Ende der Exilforschung? Eine Überlegung anläßlich neuerer Veröffentlichungen zum Thema Exilliteratur.


  • Der Aufsatz mißt die Ergebnisse der Exilforschung an den Erwartungen, die seit den späten sechziger Jahren an sie gerichtet wurden. Der Befund mangelnder methodologischer Klarheit und oft fehlender Distanz zum Untersuchungsobjekt führt zum Vorschlag einer "Re-Philologisierung" der Disziplin, die auch die Produktion der zweiten und dritten Generation als Ver-dichtung einer widersprüchlichen Lebenssituation in den Blick nimmt.



Rezensionen (Band 2)

  • Angelika Linke: Sprachkultur und Bürgertum. Zur Mentalitätsgeschichte des 19. Jahrhunderts. 1996. (Dieter Langewiesche)


Pressegeschichte (Band 2)

  • Ute Schneider: Friedrich Nicolais Allgemeine Deutsche Bibliothek als Intergationsmedium der Gelehrtenrepublik. 1995. (Norbert Christian Wolf)
  • Ulrike Möllney: Norddeutsche Presse um 1800. Zeitsachriften und Zeitungen in Flensburg, Braunschweig, Hannover und Schaumburg-Lippe im Zeitalter der Französischen Revolution. 1996. (Werner Greiling)
  • Holger Böning/Emmy Möpps: Hamburg. Kommentierte Bibliographie der Zeitungen, Zeitschriften, Intelligenzblauml;tter, Kalender und Almanache sowie biographische Hinweise zu Herausgebern, Verlegern und Druckern periodischer Schriften. Bd. 1.1-1.3. (Holger Böning: Deutsche Presse. Bibliographische Handbücher zur Geschichte der deutschsprachigen periodischen Presse von den Anfängen bis 1815. Bd. 1). 1996. (Alfred Estermann)
  • Michaela Breil: Die Augsburger "Allgemeine Zeitung" und die Pressepolitik Bayerns. Ein Verlagsunternehmen zwischen 1815 und 1848. 1995.
    Richard Kohnen: Pressepolitik des Deutschen Bundes. Methoden staatlicher Pressepolitik nach der Revolution 1848. 1995.
    Brigitte Tolkemitt: Der Hamburgische Correspondent. Zur öffentlichen Verbreitung der Aufklärung in Deutschland. 1995. (Bernd Sösemann)
  • Jörg Requate: Journalismus als Beruf. Entstehung und Entwicklung des Journalistenberufs im . Jahrhundert. Deutschland im internationalen Vergleich. 1995. (Werner Greiling)
  • Taiji Azegami: Die Jugendschriften-Warte. Von der Gründung bis zu den Anfängen des "Dritten Reiches" unter besonderer Berücksichtigung der Kinder- und Jugendliteraturbewegung und -beurteilung. 1996. (Gisela Wilkending)
  • Michaela Enderle-Ristori: Markt und intellektuelles Kräftefeld. Literaturkritik im Feuilleton von "Pariser Tagblatt" und "Pariser Tageszeitung" (1933-1940). 1997. (Erhard Schütz)